Die Bundesregierung könne noch in dieser Woche eine Lösung für das Wehrdienstmodell vorlegen, kündigte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Montag bei einem Truppenbesuch in Münster an.
„Manchmal dauert es einfach ein bisschen, und nicht alles, was als großer Streit dargestellt wird, ist am Ende auch einer“, sagte der SPD-Politiker.
Die Ankündigung von Pistorius erfolgte Monate, nachdem der Bundestag ein neues Wehrdienstgesetz verabschiedet hatte, das darauf abzielt, jedes Jahr Zehntausende Rekruten einzustellen.
Doch der Gesetzentwurf, der zunächst einen Freiwilligendienst vorsieht und umstrittene Pläne enthält, in Zukunft bei Bedarf ein verpflichtendes Element aufzunehmen, wirft jedoch Fragen auf.
Dem endgültigen Modell stehen laut Thomas Röwekamp (CDU), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, nur noch die Details im Weg. Er ist zudem davon überzeugt, dass es noch in dieser Woche zu einer Einigung kommen wird.
Es ist unklar, ob der Wehrdienst zum 70. Jahrestag der Bundeswehr am 12. November oder vor dem Koalitionsausschuss bekannt gegeben wird. Laut Röwekamp gebe es noch einige „ungelöste Fragen“.
Warum ist das Wehrdienstgesetz umstritten?
Nach dem Gesetzentwurf zum „Neuen Wehrdienst“ plant das Verteidigungsministerium im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung langfristig eine Aufstockung der Wehrmacht auf rund 460.000 Soldaten einschließlich der Reserve.
Davon soll der Anteil der aktiven Soldaten bei rund 260.000 liegen. Dieses Ziel umfasst nach Angaben des Verteidigungsministeriums rund 200.000 Reservisten und basiert auf dem Zeithorizont 2035.
Beim Thema Wehrdienst betont Pistorius jedoch immer wieder, dass die Truppe durch freiwilligen Dienst gestärkt werden müsse, denn „das ist der Konsens im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD.“
Trotz der klaren Aussage des Ministers spaltet die geplante Wehrdienstreform die aktuelle Koalition.
Pistorius befürwortet einen freiwilligen, attraktiven Militärdienst – nach schwedischem Vorbild – der durch eine landesweite Einberufung junger Männer unterstützt wird.
Eine Wehrpflicht gäbe es nur dann, wenn ein freiwilliger Dienst nicht ausreicht. In diesem Zusammenhang will die SPD die Bundeswehr mit einem „Riesenpaket zur Steigerung ihrer Attraktivität“ modernisieren.
Die CDU/CSU befürwortet hingegen ein zufälliges Auswahlverfahren, um mögliche Engpässe bei der Besetzung abzufedern. Pistorius lehnt dies ab und plädiert stattdessen für eine Auswahl nach körperlicher Eignung und beruflichen Fähigkeiten.
Auch bei der Personalaufstockung gehen die Meinungen auseinander: Die CDU/CSU fordert konkrete Ziele für die Truppenaufstockung, um den Bedarf zu decken.
Die SPD hingegen will zunächst den Schwerpunkt auf den Freiwilligendienst und die Steigerung der Attraktivität legen und damit den Truppenaufbau flexibler gestalten.
„Ein weiteres Dokument des Zögerns“
Der als Gutachter geladene Militärhistoriker Sönke Neitzel warnte bei der Anhörung des Verteidigungsausschusses am 10. November, dass die Freiwilligkeit allein kaum ausreichen werde, um die gewünschte Zahl an Bundeswehrkräften zu sichern.
Laut Neitzel ist der Gesetzentwurf zweifellos ein „Schritt in die richtige Richtung, um die Bundeswehr kriegsfähig zu machen“.
Auch er befürworte die geplante allgemeine Wehrpflicht ab Sommer 2027, allerdings sei der Gesetzentwurf auch eine „halbherzige Demonstration der deutschen Sicherheitspolitik der letzten dreieinhalb Jahre“. „Meiner Meinung nach ist es ein weiteres Dokument des Zögerns und Aufschiebens“, erklärt der Militärhistoriker.
„Die Einführung der Wehrpflicht wäre für einen zügigen Personalaufbau der Bundeswehr zwingend erforderlich“, sagte Neitzel.
Allerdings räumte er ein, dass dies derzeit politisch nicht umsetzbar erscheint, weshalb das Verteidigungsministerium davon ausgeht, dass die Personalaufstockung durch Freiwilligendienst erreicht werden kann.
Neitzel verwies in seiner schriftlichen Stellungnahme auch auf die strategische Bedrohung: Nach Aussagen der Bundesregierung könnte Russland in einigen Jahren die Nato angreifen.
„Das Verteidigungsministerium geht davon aus, dass eine Aufstockung auf freiwilliger Basis bis 2035 erreicht werden kann. Das bedeutet, dass als Ziel eine durchschnittliche Aufstockung von 8.000 Soldaten pro Jahr festgelegt wurde.“
Er fügte hinzu: „Wenn die Bundeswehr bei ihrer Gründung im Kalten Krieg in diesem Tempo gewachsen wäre, hätte der Aufbau 60 Jahre gedauert.“
Pistorius geht davon aus, dass zwischen 60.000 und 100.000 zusätzliche Soldaten nötig seien, um die Nato-Vorgaben zu erfüllen und die Truppe kriegstauglich zu machen.
Obwohl noch keine Lösung gefunden wurde, soll das Gesetz am 1. Januar 2026 in Kraft treten. Die Wehrpflicht für alle jungen Männer soll ab Juli 2027 oder 2028 erfolgen.










