Björn Höcke will nicht gewusst haben, dass „Alles für Deutschland“ eine SA-Parole ist: Wie der AfD-Politiker und Geschichtslehrer seine Ahnungslosigkeit erklärt.

Für Björn Höcke ist die Sache offenbar so einfach, dass er sie in zwei Sätzen zusammenfassen kann: „Ich wusste es nicht, und ich bin tatsächlich völlig unschuldig.“

Der Thüringer AfD-Landesvorsitzende steht am Dienstag in Halle vor Gericht, weil er die SA-Parole „Alles für Deutschland“ in einer Rede einsetzte. Höcke bestätigt, den Satz gesagt zu haben, doch will er das im Unwissen getan haben. Der Geschichtslehrer und bestens vernetzte AfD-Politiker sieht sich als unschuldig, weil er angeblich nichts von Bedeutung und Strafbarkeit der Parole gewusst habe.

So lautete Höckes Verteidigungslinie an diesem Verhandlungstag. Um das zu untermauern, gab der AfD-Politiker überraschende Einblicke, womit er sich nicht befasst habe und was er angeblich nicht kenne. Und Höcke präsentierte sich einmal mehr als Opfer der Strafverfolgung.

„Mit Sicherheit nicht verwendet“

Wenn er um die Parole gewusst hätte, dann hätte er die Formulierung „mit Sicherheit nicht verwendet“, so Höcke im Gerichtssaal. Am zweiten Verhandlungstag sagte er aus, und das Wissen darum ist der Knackpunkt im Prozess um den Vorwurf, Kennzeichen von verfassungswidrigen und terroristischen Organisationen verwendet zu haben: Wer nicht weiß, dass die Formulierung problematisch und strafbar ist, hat sich nicht schuldig gemacht. Höckes Verteidiger Philip Müller drückte das so aus: Man unterstelle seinem Mandanten einen „inneren geheimen Willen, einigen wenigen Kundigen ein Geheimzeichen zu senden. Konkrete Anhaltspunkte dürften nicht vorliegen.“

Höcke führte zudem aus, wieso er von der Tragweite der Formulierung keine Ahnung gehabt habe. Dass bereits vor ihm gegen zwei AfD-Politiker wegen der Formulierung ermittelt wurde, habe er erst im Nachhinein erfahren. Mit Parteifreund Ulrich Oehme, Unterzeichner der „Erfurter Erklärung“ von Höckes Flügel, habe er kaum gesprochen, und wenn, dann nie über dessen Strafverfahren. Den anderen, Kay-Uwe Ziegler, den Landes-Vize von Sachsen-Anhalt, kenne er überhaupt nicht. Ziegler hatte Monate vor Höcke die SA-Parole verwendet.

Auch die mediale Berichterstattung über diese Vorfälle habe er nicht bemerkt. Er verfolge etablierte Medien kaum noch, sagte Höcke, da diese aus ihm den „Teufel der Nation“ gemacht hätten. Die Staatsanwaltschaft hielt ihm vor, er habe doch Mitarbeiter, die Auswertungen von Medienberichten betrieben. Und da habe doch vielleicht mal jemand gewarnt, „AfD“ nicht als Abkürzung für „Alles für Deutschland“ zu nutzen? Höcke bleibt dabei: Ihn habe das nie erreicht. „Auch wenn man mutmaßt, dass ich die graue Eminenz bin und mich alles erreicht: Nein, das Gegenteil ist der Fall.“

Aber doch im Geschichtsunterricht und im Studium, als er sich zum Geschichtslehrer für Gymnasien ausbilden ließ? Höcke entschuldigt sich, die Universalgeschichte der Menschheit sei das weiteste Wissensfeld, das es gebe. Der Geschichtslehrer sei kein Universalgelehrter, könne nicht alles wissen, wie ein Strafrechtler sich auch mit Medienrecht nicht auskennen müsse. „Sie würden sich nicht von Psychotherapeuten den Blinddarm operieren lassen“, sagte er dem Richter. Die NS-Zeit ist demnach auch ein Spezialgebiet, mit dem er sich kaum befasst haben will.

Kein Seminar zur NS-Zeit

Er habe sämtliche Scheine aus seinem Studium noch mal gesichtet: „Ich habe kein Seminar zum Nationalsozialismus in der Uni belegt, das ist nicht untypisch.“ Höcke brachte aus seiner Zeit am Gymnasium „Weltgeschichte im Aufriss“ mit, ein Buch aus dem Geschichts-Leistungskurs: „Nur ein, zwei Sätze zur SA“ fänden sich darin, aber nicht das Motto, um das es jetzt gehe. Auch im Buch aus seiner Lehrerzeit („Historisch-politische Weltkunde. Weimarer Republik und Nationalsozialismus“) finde sich die SA-Parole nicht. „Die SA und ihre Parole scheint für Geschichtsdidakten nicht so wichtig zu sein“, schlussfolgert Höcke.

Sein Schwerpunkt sei die Geschichte des 19. Jahrhunderts, da sei die Sprache „blumig“ gewesen: „So erkläre ich, dass ich manchmal Sprache benutze, die nach dem 19. Jahrhundert klingt.“

Für die Staatsanwaltschaft klang sie anders: Sie hatte sich mit Beiträgen bewaffnet, in denen auffällige Parallelen zwischen Höcke-Reden und NS-Zeit belegt werden sollen. Die Beispiele legen nahe, dass Höcke gut vertraut ist mit Texten aus jener Zeit. Es geht da auch um Goebbels Sportpalast-Rede. Höcke kann nach seiner Darstellung nicht mal sicher sagen, ob er diese gelesen hat. Der 52-Jährige erzählt im Gericht, dass er sich mit dem 20. Jahrhundert kaum befasst habe. Nicht mal „Mein Kampf“, Adolf Hitlers Werk mit dessen zentralen Vorstellungen, habe er gelesen, behauptet Höcke.

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