135 Tote im Ahrtal, ein Urlaub in Frankreich – und jetzt ein Spitzenjob in Hannover. Anne Spiegel bekommt eine zweite Chance. Aber es ist die falsche.

Als im Juli 2021 das Wasser kam, starben im Ahrtal 135 Menschen. Dörfer wurden fortgerissen, Familien zerstört. Und die zuständige Ministerin Anne Spiegel? Zehn Tage später war sie im Urlaub. Vier Wochen Frankreich, während andere im Schlamm nach Angehörigen suchten. Später schrieb sie ihrem Sprecher, man brauche „ein Wording, dass wir rechtzeitig gewarnt haben“. Ein Satz, der bleibt.

Wer während einer Katastrophe Empathie vermissen ließ, sollte kein Amt mehr leiten, in dem es darum geht, sich um Menschen zu kümmern, die Hilfe benötigen.

Trotzdem soll Anne Spiegel, ausgerechnet sie, Sozialdezernentin der Region Hannover werden – verantwortlich für Teilhabe, Jugend, Familie, Soziales. Ein Amt, das Vertrauen und Mitgefühl verlangt. Beides hat sie 2021 verspielt.

Natürlich darf man Fehler machen. Natürlich kann man aus ihnen lernen. Aber politische Verantwortung ist kein Bußgeld, das nach drei Jahren als bezahlt gilt. Sie ist ein Versprechen an die Öffentlichkeit – und wer es bricht, verliert mehr als nur sein Amt. Spiegels Rücktritt war notwendig. Ihr Comeback auf diesem Posten ist falsch.

Denn früher war ein Rücktritt ein Bruch. Heute ist er eine Karrierepause. Politiker stürzen, tauchen ab, kehren zurück – Guttenberg, Amthor, Scheuer. Die politische Klasse verzeiht sich selbst schneller, als die Öffentlichkeit vergessen kann. Und wundert sich dann, warum ihr immer weniger vertrauen.

Wenn SPD und Grüne eine moralisch beschädigte Politikerin auf einen sozialpolitischen Spitzenposten heben, senden sie ein zynisches Signal: Nicht Integrität zählt, sondern Koalitionsfrieden. Das beschädigt Vertrauen – in Personen, in Parteien, in das Prinzip Verantwortung.

Man kann Anne Spiegel wünschen, dass sie dazugelernt hat. Aber sie sollte das nicht an der Spitze eines Ressorts beweisen, in dem Empathie zum wesentlichen Merkmal gehört. Denn genau daran ist sie gescheitert.

Die Region Hannover sollte diese Wahl überdenken. Nicht, weil Fehler unverzeihlich wären, sondern weil Vertrauen verdient werden muss. Für Anne Spiegel gibt es sicher einen entsprechenden Verwaltungsjob, der nicht so viel Empathie abverlangt. Politik braucht wieder den Mut, Nein zu sagen, damit Loyalität nicht mehr zählt als Moral.

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